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Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Urteil verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 14 Sa 136/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 157 | |
BGB § 242 |
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 14. August 2008 In Sachen
hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 14. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2008 durch den Richter am Arbeitsgericht A. als stellvertretender Vorsitzender sowie die ehrenamtlichen Richter Frau L. und Herr H. für Recht erkannt:
Tenor:
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 20.11.2007 - 4 Ca 1153/07 - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die der Klägerin zuerkannten 200,00 Euro erst ab dem 30.05.2007 zu zahlen hat.
II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin ein jährliches Treuegeld zu zahlen.
Die Klägerin ist seit dem 02.06.1975 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, zuletzt auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.08.2005 (Bl. 11 ff. d. A.) im Betrieb H. beschäftigt. Sie erhält eine Monatsvergütung, die spätestens zwei Werktage vor Ablauf des jeweiligen Monats fällig wird.
Die Beklagte zahlte bei langjährigen Dienstzeiten an ihre Mitarbeiter pauschal festgelegte Beträge einmal jährlich als Treuegeld. Die Auszahlung erfolgte jeweils mit der Abrechnung für Mai. In Jubiläumsjahren wurde stattdessen eine Jubiläumszahlung geleistet. Die Höhe orientierte sich jeweils an einer Musterbetriebsordnung (MBO), die im Betrieb H. jedoch zu keinem Zeitpunkt normative Geltung erlangt hatte. Gemäß Ziffer 6.16 MBO standen Mitarbeitern des Tarif- und des AT-Kreises mit 26 bis 39 Dienstjahren 375,00 DM als jährliches Treuegeld zu (Bl. 14 d. A.). Mit Betriebsvereinbarung Nr. 86.1 vom 11.01.2002 vereinbarte die Beklagte mit dem zuständigen Betriebsrat für den Betrieb H. unter anderem, dass das Treuegeld für Mitarbeiter mit 26 bis 39 Dienstjahren auf 200,00 € gerundet werde (Bl. 15 f. d. A.).
Die Beklagte zahlte das Treuegeld an die Mitarbeiter des Betriebes H. letztmalig im Jahre 2003 aus. Die Klägerin, die in den Jahren 2003 bis 2005 vorübergehend zur Firma I. abgeordnet worden war, erhielt in dieser Zeit Leistungen aus einem Sozialplan, in deren Berechnung in den Jahren 2003, 2004 und 2005 auch ein Treuegeld in Höhe von 200,00 € einbezogen wurde (vgl. Abfindungsberechnung lt. Bl. 17 d. A.).
Da die Beklagte im Betrieb H. die Zahlung des Treue- und Jubiläumsgeldes eingestellt hatte, kam es zu mehreren Klageverfahren, in denen Mitarbeiter der Beklagten diese Leistungen geltend machten. In zwei dieser Verfahren kam es zu Entscheidungen des BAG vom 28.06.2006 (10 AZR 385/05) und vom 28.03.2007 (10 AZR 719/05), in denen den jeweiligen Klägern ein Anspruch auf diese Zahlungen aus betrieblicher Übung zuerkannt wurde.
Die Klägerin, die 2006 und 2007 kein Treuegeld erhielt, machte mit Schreiben vom 25.06.2007 (Bl. 18 d. A.) gegenüber der Beklagten die Zahlung eines Treuegeldes für 2007 geltend, was die Beklagte mit Schreiben vom 02.07.2007 (Bl. 19 d. A.) ablehnte.
Mit der Klage macht die Klägerin die Zahlung des Treuegeldes für 2007 und die Feststellung geltend, dass die Beklagte auch weiterhin verpflichtet sei, an sie ein Treuegeld nach Ziffer 6.16 MBO zu zahlen. Sie hat sich auf eine betriebliche Übung berufen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zur Zahlung von 200,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2007 zu verurteilen,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Treuegeld nach Maßgabe der Ziffer 6.16 der Musterbetriebsordnung der A.-Tochtergesellschaft in den neuen Bundesländern (Stand: 01.07.1994) und unter den dortigen Voraussetzungen in der dort jeweils geregelten Höhe an die Klägerin zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Anspruch auf Zahlung eines Treuegeldes sei durch eine negative betriebliche Übung beseitigt worden.
Mit Urteil vom 20.11.2007 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Entstehen einer negativen betrieblichen Übung sei nicht zu erkennen. Die Beklagte habe in den Jahren 2004 und 2005 den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Treuegeld nicht verneint oder in sonstiger Form abgelehnt, sondern dieses im Rahmen einer Abfindungszahlung geleistet und in Abrechnungen auch als solches deklariert, 2006 hätten sich beide Parteien passiv verhalten. Für das Vorliegen einer negativen betrieblichen Übung hätte es aber des aktiven Handelns beider Parteien bedurft. Es habe auch keine Umstände gegeben, nach denen die Beklagte das Schweigen der Klägerin als Zustimmung zu einer geänderten betrieblichen Übung hätte ansehen dürfen, offensichtlich hätten vielmehr beide Parteien den Ausgang des Rechtsstreits 10 AZR 385/05 beim Bundesarbeitsgericht abgewartet.
Gegen dieses der Beklagten am 17.12.2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.01.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangene und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.03.2008 mit an diesem Tage beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung. Die Beklagte trägt vor, es sei unzutreffend, dass passives Verhalten keine negative betriebliche Übung begründen könne. Mit Ablauf des Jahres 2003 habe die Beklagte sämtliche Treuegeld- und Jubiläumszahlungen eingestellt und damit die bisherige betriebliche Übung geändert. Weiteres aktives Handeln der Beklagten sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht erforderlich gewesen. Auch eine Leistung, die in längeren Abständen gezahlt werde, könne durch gegenläufige betriebliche Übung beseitigt werden. Hier richte sich das Entstehen einer gegenläufigen betrieblichen Übung danach, dass der Arbeitgeber die betriebliche Handhabung auch gegenüber sämtlichen potentiellen Leistungsempfängern für die Zukunft ändere und diese dem geänderten Verhalten des Arbeitgebers nicht widersprächen. Dies treffe auch auf die Klägerin zu, die zwar 2004 und 2005 ein Treuegeld im Rahmen eines Anspruchs aus einem Sozialplan erhalten habe, sich in diesen Jahren jedoch gleichwohl nicht gegen die betriebsweite Einstellung der Leistung gewandt habe. Auch 2006 habe die Klägerin der Einstellung der Leistung eines Treuegeldes nicht widersprochen. Da es keine Vereinbarung über das Führen von Musterprozessen gegeben habe, könne auch der Umstand, dass bis März 2007 Verfahren beim Bundesarbeitsgericht wegen Klagen einiger Arbeitnehmer auf Treue- und Jubiläumsgeldzahlungen aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung anhängig gewesen seien, dem Gesichtspunkt einer negativen betrieblichen Übung bei Arbeitnehmern, die diesen Anspruch weder schriftlich noch gerichtlich geltend gemacht hätten, nicht entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 16.10.2007 - 4 Ca 1153/07 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat die Klage hinsichtlich des Antrages zu 1. in der Berufungsverhandlung mit Einwilligung der Beklagten betreffend die Zinsforderung für den 29.05.2007 zurückgenommen und beantragt im Übrigen,
die Berufung vom 17.01.2008 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 20.11.2007 (Gz. 4 Ca 1153/07) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist der Auffassung, in ihrer Person könne schon deswegen keine negative betriebliche Übung entstanden sein, weil sie auch in den Kalenderjahren 2004 und 2005 Treuegeldzahlungen zusammengefasst als Abfindungszahlung erhalten habe. Eine negative betriebliche Übung könne unabhängig davon aber auch deswegen nicht entstanden sein, weil Mitarbeiter, die in den Jahren seit 2004 Treue- und Jubiläumsgeldzahlungen bei der Beklagten nicht geltend machten, erkennbar den Ausgang der Verfahren beim Bundesarbeitsgericht abgewartet hätten.
Wegen des Weiteren zweitinstanzlichen Vortrages der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 17.03.2008 (Bl. 105 ff. d. A.) und vom 18.07.2008 (Bl. 154 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 28.04.2008 (Bl. 134 ff. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG, 519, 520 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung (§ 66 Abs. 1 ArbGG) ist erfolglos. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Im Hinblick auf die teilweise Klagerücknahme wegen der Zinsforderung der Klägerin für den 29.05.2007 war klarstellend in den Tenor mit aufzunehmen, dass die Beklagte die vom Arbeitsgericht zugesprochene Zinsforderung erst ab dem 30.05.2007 zu erfüllen hat.
1.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht für zulässig gehalten. Der Klageantrag zu 2 ist als Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Es handelt sich um eine Zwischenfeststellungsklage, für die ein besonderes Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich ist (BAG vom 28.06.2006, 10 AZR 385/05, NZA 2006, 1174). Zweck dieser Feststellungsklage ist die Erstreckung der Rechtskraftwirkung auf das dem gleichzeitig geltend gemachten Leistungsantrag zugrunde liegende Rechtsverhältnis und die tragenden Entscheidungsgründe.
2.
Mit dem Arbeitsgericht ist auch von der Begründetheit beider Klageanträge auszugehen. Das Bundesarbeitsgericht hat mit den Urteilen vom 28.06.2006 und vom 28.03.2007 (a. a. O.) entschieden, dass durch die jährliche vorbehaltlose Zahlung des Treuegeldes entsprechend den Vorgaben der MBO eine betriebliche Übung entstanden ist. Dem folgt die Berufungskammer auch für den vorliegenden Fall.
Eine gegenläufige betriebliche Übung ist in den Jahren 2004 bis 2006 nicht zustande gekommen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Anspruch auf Gratifikationszahlung aus betrieblicher Übung durch eine geänderte betriebliche Übung beendet werden. Mit einer gegenläufigen tatsächlichen Handhabung über einen längeren Zeitraum hinweg kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein verschlechterndes Änderungsangebot unterbreiten, das allerdings von diesem angenommen werden muss. Von einer Annahmeerklärung kann der Arbeitgeber jedoch nicht nur dann ausgehen, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich sein Einverständnis erklärt, sondern auch, wenn er nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte das Schweigen des Arbeitnehmers als Zustimmung zu der geänderten Praxis ansehen darf. Das ist anzunehmen, wenn er davon ausgehen darf, der Arbeitnehmer werde der Änderung widersprechen, wenn er mit dieser nicht einverstanden sei. Ebenso wie bei der Begründung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung kommt es nicht auf einen tatsächlich vorhandenen Verpflichtungswillen an, soweit ein entsprechender Rechtsbindungswille des Arbeitnehmers jedenfalls aus objektiver Sicht des Erklärungsempfängers erkennbar ist (BAG vom 27.06.2001, 10 AZR 488/00, EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 44).
Eine derartige gegenläufige betriebliche Übung hat das Bundesarbeitsgericht im Falle eines Anspruchs auf Gratifikationszahlung aus betrieblicher Übung angenommen, wenn der Arbeitgeber erklärt, die jährliche Zahlung der Gratifikation sei eine "freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung, auf die - auch zukünftig - kein Rechtsanspruch besteht" und der Arbeitnehmer der neuen Handhabung über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg nicht widerspricht. Dies beruhe darauf, dass der Arbeitgeber das Schweigen des Arbeitnehmers auf die geänderte betriebliche Übung nach Treu und Glauben und nach der Verkehrssitte als Akzeptierung der geänderten betrieblichen Übung ansehen kann, weil er annehmen darf, dass der Arbeitnehmer der Änderung widersprechen würde, wenn er mit dieser nicht einverstanden sein sollte (BAG vom 26.03.1997, 10 AZR 612/96, AP § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 50; BAG vom 04.05.1999, 10 AZR 290/98, BAGE 91, 283; BAG vom 24.11.2004, 10 AZR 202/04, NZA 2005, 349).
a)
Die Beklagte hatte vorliegend keinen Anlass, davon auszugehen, die Klägerin werde 2004 und 2005 der Einstellung der Zahlung von Treue- und Jubiläumsgeldern im Betrieb H. widersprechen, wenn sie damit nicht einverstanden sei, weil die Klägerin in diesen Jahren dem Betrieb nicht angehörte und sie selbst das Treuegeld für 2004 und 2005 als Bestandteil einer Abfindung von der Beklagten erhielt. Der Klägerin gegenüber wirkte sich die neue Handhabung des Treuegeldes seitens der Beklagten erst ab 2006 aus, sodass sie 2007, als sie das Treuegeld für dieses Jahr verlangte, diese Handhabung nicht bereits über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg widerspruchslos hingenommen hatte.
b)
Dass die Klägerin das Treuegeld 2006 nicht geltend machte, kann nicht als Zustimmung zu einer geänderten betrieblichen Übung im Sinne der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts angesehen werden.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie hierdurch an einer den Betrieb H. betreffenden negativen betrieblichen Übung teilgenommen habe. Für die positive betriebliche Übung gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zwar, dass es unerheblich ist, ob der betreffende Arbeitnehmer selbst bisher zuvor in eine betriebliche Übung einbezogen war (BAG vom 28.07.2004, 10 AZR 19/04, NZA 2004, 1152). Wollte man diese Grundsätze auf die negative betriebliche Übung übertragen, so nähme ein Arbeitnehmer, in dessen Person die Voraussetzung derselben, insbesondere das widerspruchslose Hinnehmen einer geänderten Übung über einen längeren Zeitraum von drei Jahren hinweg, nicht erfüllt sind gleichwohl an derselben teil, sobald er in einen Betrieb eingegliedert wird, in dem sich eine entsprechende abändernde betriebliche Übung entwickelt oder entwickelt hat. Ob dies angesichts des Umstandes, dass es bei der negativen betrieblichen Übung regelmäßig um den Verzicht auf Ansprüche geht, so angenommen werden kann, kann hier dahingestellt bleiben. Denn die Beklagte hat nicht dargetan, dass sich im Betrieb H. gegenüber den Arbeitnehmern, die 2004 bis 2006 ein Treuegeld/Jubiläumsgeld nicht geltend gemacht haben, eine solche negative betriebliche Übung entwickelt hat. Zwar weist sie zu Recht darauf hin, dass eine gegenläufige betriebliche Übung nicht nur zur Abänderung einer Leistung, sondern auch zu deren völligem Wegfall führen kann. Nach den dargestellten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist aber in jedem Falle Voraussetzung, dass der Arbeitgeber durch sein Verhalten eine Erklärung abgibt, die der Arbeitnehmer als Angebot auf Abänderung einer bestehenden betrieblichen Übung ansehen muss. Das ergibt sich hier aus dem Vortrag der Beklagten nicht. Sie trägt vor, sie habe mit Ablauf des Jahres 2003 sämtliche Treuegeld- und Jubiläumszahlungen eingestellt. Entgegen ihrer Auffassung ergibt sich daraus allein aber noch nicht ein Verhalten, das die Arbeitnehmer als Angebot auf Abänderung einer bestehenden betrieblichen Übung ansehen müssen. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin war die Rechtsfrage der Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt offen und wurde in den arbeitsgerichtlichen Verfahren geklärt, die zu den genannten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts geführt haben. Es lag also für die betroffenen Arbeitnehmer viel näher, davon auszugehen, dass die Beklagte die Treuegeld- und Jubiläumsgeldzahlungen einstellte, weil sie sich schlicht nicht zu deren Leistung verpflichtet sah. Dann aber hatten die Arbeitnehmer der Beklagten aus ihrer Sicht auch keine Veranlassung, dieses Verhalten als rechtsgeschäftliches Angebot zur Änderung einer bisherigen betrieblichen Übung anzusehen. Vielmehr hatten sie dieses Verhalten als Folge einer Rechtsauffassung der Beklagten anzusehen, die sich in mehreren arbeitsgerichtlichen Verfahren sodann als unzutreffend herausstellte.
Hinzu kommt, dass die Beklagte keinerlei Anhaltspunkte dafür hatte, dass die Einstellung der Treuegeldzahlung im Betrieb allgemein akzeptiert worden wäre. Zwar haben der Großteil der Betriebsangehörigen ihre Ansprüche nicht geltend gemacht und nur ein geringerer Teil der Belegschaft bereits im Jahr 2004 geklagt. In dieser Situation lag es für den Arbeitgeber jedoch wesentlich näher anzunehmen, dass die nicht klagenden Arbeitnehmer auf den rechtskräftigen Abschluss der geführten Rechtsstreite warteten. In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, das Bundesarbeitsgericht habe bereits im Juni 2006 zugunsten der Arbeitnehmer entschieden, die Klägerin ihre vermeintlichen Ansprüche jedoch erst im Juni 2007 geltend gemacht. Es wurde nämlich ein weiterer Rechtsstreit vor dem Bundesarbeitsgericht geführt, der erst am 28.03.2007 entschieden wurde. Die Geltendmachung der Treuegeldansprüche im Juni 2007 erfolgte daher so rechtzeitig nach dem Bekannt werden dieser Entscheidung, dass die Beklagte jedenfalls im Juni 2007 noch nicht darauf vertrauen durfte, wer bisher seinen Anspruch noch nicht geltend gemacht hatte, sei mit der Beendigung der betrieblichen Übung einverstanden.
c)
Daher kann die Klägerin aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung auch für 2007 das am 29.05.2007 fällig gewordene Treuegeld verlangen, das der Höhe nach unstreitig 200,00 € beträgt. Die nach der teilweisen Klagerücknahme noch geltend gemachte Zinsforderung ist gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Ferner folgt daraus auch, dass das Arbeitsgericht zu Recht dem Feststellungsantrag der Klägerin stattgegeben hat, denn mangels abändernder betrieblicher Übung ist die Beklagte der Klägerin gegenüber auch in Zukunft zur Zahlung eines Treuegeldes nach der MBO verpflichtet.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
III.
Die Kammer hat gemäß § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG die Revision für die Beklagte zugelassen. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage des Entstehens einer gegenläufigen betrieblichen Übung hat grundsätzliche Bedeutung und ist Gegenstand einer Vielzahl zur Zeit beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und beim Arbeitsgericht Neuruppin anhängiger Rechtsstreite.
Ende der Entscheidung
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